Persönlichkeitsentwicklung in der Praxis

Psychotherapie und Persönlichkeitsentwicklung – wer braucht was?

Wie ich schon in einem vorigen Artikel von mir kurz anriss, sind die Interessenten an Psychotherapie und Persönlichkeitsentwicklung meist unterschiedliche. Zu einer „Therapie“ greift man nämlich meistens erst dann, wenn man „krank“ geworden ist. Man hat das Gefühl, dass man nicht mehr alleine in seinem Alltag zurechtkommt. Man braucht Hilfe. Und man sucht Heilung. Denn etwas ist nicht mehr „in Ordnung“.

 

Persönlichkeitsentwicklung dagegen wird mehr mit „Selbstoptimierung“ in Verbindung gebracht. Voraussetzung dafür ist, dass man bereits ein „funktionierendes“ Mitglied der Gesellschaft und „geistig gesund“ ist. Der Anspruch, sich darüber hinaus „optimieren“ zu sollen – wie ein Produkt, das noch nicht oder nicht mehr den Ansprüchen des Nutzers genügt – sorgt bei vielen Menschen dabei noch für zusätzlichen Stress und wird so zu einer weiteren Belastung.

 

Die Stoßrichtungen beider Ansätze sind also unterschiedlich. Ein weiterer Unterschied ist der, dass man für eine Psychotherapie zu einem ausgebildeten Therapeuten gehen muss. In Deutschland in der Regel ein Mediziner oder Psychologe mit einer zusätzlichen therapeutischen Ausbildung (in Österreich dagegen muss der Ausbildung kein Studium der Medizin oder Psychologie zugrunde liegen). Dementsprechend wird eine Psychotherapie zum Teil auch von den Krankenkassen bezahlt – wie eine andere medizinisch notwendige Therapie auch. Wenn man sich dagegen an einen Berater oder Coach im Bereich Persönlichkeitsentwicklung wendet, wird dies keine vergleichbare Finanzierung erfahren, da es eben nicht als „notwendig“ erachtet wird.

 

Dabei gibt es auch einige Überschneidungspunkte und gerade von Seiten der Persönlichkeitsentwicklung weniger Abgrenzungen. Beide Ansätze wollen zum Beispiel eine Verbesserung des gegenwärtigen (emotionalen) Zustandes bewirken, wollen vielleicht auch Prävention gegenüber Phänomenen wie Burnout darstellen oder schlicht ein Leiden mindern. Dazu entwickeln beide Richtungen Vorstellungen und Modelle der menschlichen Psyche und seiner Bedürfnisse sowie Antriebe (z.B. Freuds Theorie von Bewusstsein und Unterbewusstsein und das im Coaching weit verbreitete Lebensrad). Denn sowohl die Therapie als auch das Coaching fragen immer wieder nach den Ursachen des Handelns und der eigentlichen Motivation.

 

Eine Frage, die ich mir im Vergleich beider Ansätze stellte, war dabei: welches Modell ist denn nun das richtige? Und habe ich die richtigen Ursachen und Motivationen meines Handelns (oder das eines anderen) identifiziert. Ist meine Erklärung hier wahr?

 

Meine philosophische Position zu dieser Frage lautet allerdings: es ist hier besser nach Nützlichkeit oder nach dem, was hilfreich ist zu Fragen als nachdem was wahr ist. Das macht es auch nicht vollkommen gleichgültig, was wir für die Ursache unseres Problems halten, denn eine Antwort wird uns mehr befriedigen als eine andere und diejenige, die uns am meisten Spielraum über unsere Handlungen lässt und uns letztlich am meisten weiterhilft, die halte ich für die beste Option, die man hat.

 

 

Brauche ich eine Psychotherapie – oder kann ich mir selbst helfen? (Self-Help)

Mir hat letztendlich beides geholfen. Doch auf verschiedene Weise.

 

Die Therapie, die ich machte, gab mir ein Gegenüber, mit dem ich sprechen konnte. Und wenn ich es brauchte, auch ein Gegenüber, das ich anschweigen konnte. Es gab mir in einer sozialen Situation Raum. So viel Raum, wie ich wohl noch nie ganz für mich allein. Ohne Schuldgefühle. Ohne, dass ich etwas Bestimmtes sagen oder tun müsste. Stattdessen durfte das geschehen, was in mir auftauchte. Die Gedanken und Gefühle, die ich oft wegschob, nicht denken und fühlen wollte, für die ich mich schämte, zu denen ich nicht stehen wollte. So viele davon hatte ich nie richtig angesehen und genau deswegen schienen sie mein Leben so sehr zu lenken. Gedanken, Beurteilungen von anderen Menschen und mir selbst zum Beispiel, die ich oft kaum wahrnahm, weil sie mir so „natürlich“ und „normal“ vorkamen, dass ich sie nicht in Frage stellen konnte. Und immer wieder sind es genau die Dinge, die wir für „normal“ halten, die unser Leben mehr als alles andere bestimmen. Denn wir haben zu ihnen keine echten Alternativen.

 

Das hat mir sehr geholfen. Diesen Raum zu haben. Mir selbst die Erlaubnis geben zu können, nicht „funktionieren“ zu müssen, nicht auf eine bestimmte Art sein zu müssen. Es hat mir geholfen beobachten zu dürfen, fühlen zu dürfen. Dabei hatte ich zwar immer wieder das Gefühl es sei nicht „genug“ – denn was sind schon 60 Minuten, wenn man versucht sich den größten Ängsten und scheinbar unbegründeten Schuldgefühlen anzunähern? In 60 Minuten konnte ich kaum anfangen, was es alles zu erzählen oder zu tun oder zu fühlen gegeben hätte. Noch heute erlebe ich dieses Gefühl, wenn ich versuche Tagebuch zu schreiben. Niemals reicht der Platz oder die Zeit, um alles zu beschreiben, was auftaucht und mir wichtig vorkommt. Niemals. Es ist immer frustrierend.

 

 

Wofür benutze ich Methoden der Persönlichkeitsentwicklung?

Zuerst waren diese Methoden, Ansätze und Ratschläge nicht viel mehr als ein „Ersatz“, als ich die Therapie nicht mehr nutzen konnte (meine von der Krankenkasse bezahlten Stunden waren aufgebraucht) und eine Krücke, mit deren Hilfe ich mich von Tag zu Tag, von Woche zu Woche schleppte. Durchhalten. Hoffen. Weitermachen. Es muss besser werden. Es muss. Weiter daran glauben. Mich erholen. Weitersuchen. Nach einem Weg. Nach irgendetwas, mit dem ich mir selbst helfen kann. Nach irgendetwas, das auf Dauer funktioniert. Weiter hoffen. Mich entspannen. Atmen.

 

Ich wusste, dass ich all die Tipps, die ich hörte, nicht effektiv nutze. Die meisten davon auch überhaupt nicht. Doch ich wusste, allein das Zuhören hilft schon. Allein eine optimistische Stimme zu hören mit Ratschlägen zur Umsetzung einer Philosophie, von der ich schon lange zuvor überzeugt gewesen war (dass ich meine Probleme lösen kann, aber nur noch nicht weiß wie). Zwar lag auch hierin immer wieder Frustration, aber der Vorteil und das Positive, was ich daraus mitnahm, überwogen einfach.

 

Ich hielt mich an einige wenige Dinge, die mich überzeugt hatten. Das erste und wichtigste war ganz einfach: ich konnte nicht gleichzeitig an zwei verschiedene Dinge denken oder zwei Gefühle gleichzeitig spüren. Ja, ich konnte vielleicht schnell zwischen beiden wechseln, aber wirklich gleichzeitigt daran denken konnte ich nicht! Und genau das war der Schlüssel. Denn in dem Moment, wo ich mich mit etwas Konstruktivem beschäftigte, mir Tipps und eine positive Sicht aufs Leben anhörte, da war ich ganz bei dem, was ich hörte und dachte nicht mehr an all die Dinge, weswegen ich enttäuscht, traurig oder deprimiert war. Ich konnte einfach nicht gleichzeitigt an beides denken! Und weil ich merkte, dass es mir schwer fiel „allein“ positiv zu denken – obwohl ich das wollte – nahm ich Videos und Hörbücher zu Hilfe. Immer und immer und immer wieder. Und irgendwann – bei mir dauerte es Wochen – merkte ich, dass ich langsam auch „selbst“ wieder auf positive Gedanken kam. Noch nicht so viel wie ich wollte zwar, aber ich spürte bereits den Unterschied. Und bis heute ist das für mich eine gewinnbringende Strategie. Man könnte sagen, ich lenke mich mit etwas Konstruktivem ab. Oder man könnte auch sagen, dass ich mich mehr mit der Lösung als mit dem Problem beschäftige. Beides scheint mir eine legitime Perspektive darauf. Allerdings finde ich die zweite Aussage hilfreicher, denn ich „lenke“ mich zwar von meinen Selbstzweifeln „ab“, indem ich mich damit beschäftige, wie man das Leben konstruktiv gestalten kann. Aber diese „Ablenkung“ ist gleichzeitig auch ein Lösungsversuch. Und das sogar auf zwei Ebenen: ersten der Ebene, dass ich mich gleich besser fühle (der reine „Ablenkungseffekt“) und zweitens, indem ich mehr und mehr darüber lerne, wie ich meine Situation dauerhaft und von Grund auf verbessern kann, was dafür nötig ist, welche Perspektiven es dazu gibt, was für wen warum funktioniert usw.

 

Wie finde ich den richtigen Ansatz für mich?

Mir haben sowohl psychotherapeutische Ansätze als auch Methoden der Persönlichkeitsentwicklung geholfen. Diese Hilfe bestand zum einen darin, einen Ansprechpartner zur Verfügung zu haben, der allein dafür da ist, einem zu helfen, zuzuhören, zu verstehen und Gedanken anzubieten, die einem weiterhelfen. Die Grenze, die ich hier erreichte, war einerseits die, dass es mich meine negativen Gedanken zwar besser verstehen ließ, aber nicht sofort zu ihrer Auflösung führte. Oft steigerte ich mich sogar noch mehr in sie hinein, versuchte selbst weiter zu analysieren, Antworten und Erlösung von ihnen zu finden.

Und an diesem Punkt konnte erst meine Beschäftigung mit der Persönlichkeitsentwicklung richtig greifen. Neben all den destruktiven Gedanken war es ein Bollwerk an Konstruktivität, Lösungen und ein Ansatz von Gemeinschaft. Einer gemeinsamen Philosophie, die alles daransetzt, die Dinge besser zu machen.

Die Therapie hatte mir geholfen zu verstehen, woher ich kam und die Persönlichkeitsentwicklung zeigte mir den Weg, den ich nun gehen wollte.

 

Der beste Ratschlag, den ich darum momentan geben kann, ist, dass man einfach ausprobieren muss, was für einen selbst am besten funktioniert. Wenn es der eine Therapieansatz nicht ist, dann vielleicht ein anderer. Wenn es diese Therapeutin nicht ist, dann vielleicht eine andere. Wenn mir diese Methode zur „Selbsthilfe“ nichts bringt, dann eine neue ausprobieren. Das Wichtigste ist, zu wissen, dass es unzählige Methoden, Modelle, Ansätze, Philosophien und nicht zuletzt erstaunliche Menschen gibt. Irgendetwas wird funktionieren. Und es wird wahrscheinlich eine Kombination aus verschiedenen Dingen sein. Wenn dich das Thema weiter interessiert, dann sieh dich gerne noch ein bisschen auf meinem Blog um, denn genau hier versuche ich möglichst viele Eindrücke und Ansätze zu sammeln. Immer getrau dem Motto: finde das, was funktioniert!

 

Eure

Michaela

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